Bildungskonzept Jugendverein „Roter Baum“ e. V.

Gliederung
I. Einleitung
II. Situationsbeschreibung
III. Bildungsarbeit im Jugendverband Roter Baum
III.1. Unser Bildungsbegriff
III.2. Adressatinnen unserer Bildungsarbeit
III.3. Ziele unserer Bildungsarbeit
III.4. Grundsätze unserer Bildungsarbeit
III.5. Methoden unserer Bildungsarbeit
IV. Bildungsarbeit in unserem Jugendverband vor Ort – Beispiele und Projekte
V. Ausblick

Dresden, November 2007


BILDE DICH SELBST UND DANN WIRKE AUF ANDERE DURCH DAS, WAS DU BIST.
(WILHELM VON HUMBOLDT)


I. Einleitung

Der öffentliche Träger der Jugendhilfe formuliert in seinem Arbeitsauftrag an die außerschulische Jugendbildung als Teilbereich der Jugendarbeit einen umfassenden Bildungsbegriff. Demnach ist Bildung nicht nur Wissensvermittlung, sondern ein Prozess, der Kindern und Jugendlichen allgemeine, politische, soziale, gesundheitliche, kulturelle, naturkundliche und technische Inhalte vermitteln (§11 KJHG) und sie zur aktiven Lebensbewältigung befähigen soll. Kinder und Jugendliche sollen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung gefördert werden, zu der auch die Jugendverbände als freie Träger der Jugendhilfe einen wichtigen Beitrag leisten.

Gemäß den Grundsätzen zur außerschulischen Jugendbildung des Sächsischen Staatsministeriums für Familie und Soziales und des Landesjugendamtes dient die Bildungsarbeit in der Jugendhilfe allgemein der Förderung sozialen Lernens sowie sozialer Kompetenzen, jeweils immer im Hinblick auf sich verändernde gesellschaftliche Anforderungen und spezielle Herausforderungen der Lebensphase Jugend. Dabei bietet speziell die außerschulische Jugendarbeit ihrem Wesen nach Gelegenheitsstrukturen für Bildung, wobei deren Potenzial von dem je konkreten Handlungsfeld der Einrichtungen der Jugendhilfe ausgeht und deren Struktur für die Initiierung von Bildungsprozessen geeignet sein muss.

Grundlegend können die Maßstäbe, die für die außerschulische Jugendbildung in der verbandlichen Jugendarbeit herausgearbeitet wurden, auch für die Arbeit in den örtlichen Strukturen angewandt werden. Jedoch finden die besonderen strukturellen Eigenschaften der einzelnen Ortsverbände und deren inhaltlichen Akzentuierungen sowie die lokalen Gegebenheiten Eingang in deren Arbeit und bei der Beurteilung der Bildungsqualität besondere Beachtung.

Das vorliegende Konzept erläutert die Bildungspotentiale der außerschulischen Jugendarbeit des Jugendverbandes Roter Baum und deren Umsetzung.


II. Situationsbeschreibung

Jugendverbände sind Orte der Persönlichkeitsbildung. Bildung wird hier analog dem 12. Kinder- und Jugendbericht verstanden als „ein umfassender Prozess der Entwicklung einer Persönlichkeit in der Auseinandersetzung mit sich und ihrer Umwelt. Das Subjekt bildet sich in einem aktiven Ko-Konstruktions- bzw. Ko-Produktionsprozess, eignet sich die Welt an und ist dabei auf bildende Gelegenheiten, Anregungen und Begegnungen angewiesen, um kulturelle, instrumentelle, soziale und personale Kompetenzen entwickeln und entfalten zu können.“

Bundespräsident Köhler verwies in seiner Rede während der Auftaktveranstaltung zur Woche des bürgerschaftlichen Engagements im September 2006 in Berlin die Bedeutung von Bildung im Zusammenhang mit der Übernahme ehrenamtlicher Tätigkeiten. Er sagte: „Sich weiterzubilden und zu lernen ist einer der wichtigsten Beweggründe für ein freiwilliges Engagement. (...) Ein Ehrenamt vermittelt nicht nur fachliche Qualifikationen. Es lehrt auch organisatorisches Geschick, Team- und Dialogfähigkeit, Einsatzbereitschaft, Verantwortungsbewusstsein und die Fähigkeit zum Blick über den eigenen Tellerrand.“

Laut des Berichtes „Bildung in Deutschland“ (2006) wird der Erwerb von bildungsrelevanten Ressourcen und Bildungskompetenzen in außerschulischen Bereichen zunehmend wichtiger. Es wird konstatiert, dass insgesamt Aktivitäten in Freundeskreis und Familie sowie selbst gesteuerte informelle Lernprozesse in dieser Altersgruppe eine größere Bedeutung spielen als formelle Lernprozesse im schulischen Raum. Die Bedeutung von Bildungsprozessen in der Jugendarbeit, auch in Jugendverbänden wird ebenfalls im 2. Sächsischen Kinder- und Jugendbericht herausgehoben. Aktuelle Zeitbudgetstudien machen deutlich, dass Kinder und Ju-
gendliche im Alter zwischen 10 und 15 Jahren nicht nur Zeit mit dem Lernen in und für die Schule verbringen, sondern darüber hinaus mehrere Stunden pro Woche in informellen Kontexten lernen. Zwischen 20% und 50% der Kinder und Jugendlichen nehmen Lerngelegenheiten an außerschulischen Bildungsorten wahr. Dabei kann man typologisch zwischen Bildungsorten unterscheiden, die sich zum einen direkt auf die Kompensation und Ergänzung schulischer Leistungen beziehen (z.B. Nachhilfe, Musikschulen, Sprachkurse); zum anderen sind es die Bildungsangebote der Jugendarbeit, Vereine, Verbände und kulturellen Einrichtungen, die im Gegensatz zum Bildungsangebot der Schule ihre Stärken in der Förderung der sozialen und personalen Kompetenzen junger Menschen haben.

Seit 2002 wird jährlich die Bevölkerungsumfrage „GMF-Survey“ zur Untersuchung des Ausmaßes, der Entwicklung und der Erklärung der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielfeld durchgeführt.

Unter GMF versteht man, dass Personen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit als ungleichwertig markiert und Feindseligkeiten ausgesetzt sind. Der GMF lassen sich neun Elemente zuordnen: Fremdenfeindlichkeit, Etabliertenvorrechte, Islamophobie, Abwertung von Obdachlosen, Homophobie, Abwertung von Behinderten, Sexismus, Antisemitismus und Rassismus. Die Elemente decken sich weitgehend mit jenen Merkmalen, die in der europäischen Antidiskriminierungs-Richtlinie genannte werden. Die bisherigen Untersuchungen ergaben, dass feindselige Einstellungen sich, wenn sie vorhanden sind, nicht nur gegen eine, sondern gegen
mehrere schwache Gruppen der Gesellschaft richten. Die Studie stellt fest, dass Tendenzen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Sachsen weit verbreitet sind. Außerschulische Jugendbildung gewinnt demnach zunehmend an Bedeutung.

Schulen und Elternhäuser allein können nicht alles leisten, um Kindern und Jugendlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten nahe zu bringen, welche ihnen eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Vor allem junge Menschen aus sozial schwächeren Milieus sind vielfach gesellschaftlich benachteiligt, insbesondere weil ihnen Zugänge zu Bildung erschwert werden. Dies nicht nur, weil sie ihnen nicht zur Verfügung stehen, sondern vor allem deshalb, weil ihnen die Bedeutung von Bildung nicht nahe gebracht wird. Dass Jugendarbeit vor allem dazu bestimmt wird, nur noch Nothelfer zu sein, für Jugendliche, die den Absprung ins normale Erwerbsleben nicht geschafft oder nur unter erschwerten Bedingungen schaffen werden, können wir mit Blick auf unsere Arbeit nicht hinnehmen. Jugendhilfe bedeutet Förderung im Gegensatz zu bloßer Fürsorge.

Außerschulische Jugendbildung steht in der Jugendarbeit jedem offen und nicht nur Kindern und Jugendlichen, die „Problem- oder Randgruppen“ zugeordnet werden können. Um Fördern zu können müssen in erster Linie Strategien zur Lebensbewältigung zur Verfügung gestellt werden. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Jugendarbeit die Probleme zu bearbeiten hat, die die Jugendlichen haben, nicht die, die sie machen. Insbesondere dürfen gesellschaftliche Probleme nicht im Zuge der Individualisierung gesellschaftlicher Problemlagen den Jugendlichen als selbst zu verantwortende zugerechnet werden. Deshalb ist es unsere Aufgabe, den Kindern und Jugendlichen zu einem unverklärten Blick auf sich selbst und die Um- bzw. Mitwelt zu ermöglichen. Dazu ist Bildung unerlässlich, weil sie den Horizont erweitert.


III. Bildungsarbeit im Jugendverband Roter Baum

Lernen in anderen Formen, Bildungserwerb über den Kanon der Schule hinaus, Erfahren neuer Lebenswelten, Erkenntnisgewinn durch eigenes Tun, durch Experimentieren, Beobachten, Ausprobieren und die kritische Auseinandersetzung mit Themen und Sachverhalten sind die Grundlagen für unsere Vorstellung von außerschulischer Jugendbildung. Als Jugendverband treten wir für ein gemeinschaftliches, selbstbestimmtes und aktives Lernen und Tätigsein der Kinder und Jugendlichen ein.

Die inhaltlichen Schwerpunkte unserer Bildungsarbeit leiten sich aus unserem Selbstverständnis ab:

Wir sind vielseitig schöpferisch tätig, um junge Menschen zu bilden und ihnen unsere Kompetenzen und Werte zu vermitteln:

Wir sind uns bewusst, dass jeder Mensch wertvoll ist und die Chance haben muss, sich unabhängig von seiner ethnischen, sozialen und kulturellen Herkunft selbst zu verwirklichen. deshalb begegnen wir jedem Menschen mit Respekt und Neugier.

Wir wollen die Welt erkennen, um das dadurch gewonnene Wissen zum Wohle von Mensch und Natur einzusetzen.

Wir prüfen unsere Handlungen und bestimmen unsere Ziele für die Zukunft im Wissen um die Erfolge und Fehler unserer Vorfahren.

Wir wissen, dass diese Gesellschaft vielen Menschen ihre natürlichen und sozialen Lebensgrundlagen entzieht und kämpfen aus diesem Grund aktiv gegen bestehende Ungerechtigkeiten.

Wir sind überzeugt, dass wir durch unser Handeln die Welt verbessern können.

Wir wollen jungen Menschen eine kulturelle, soziale und politische Heimat sein.



III.1. Unser Bildungsbegriff

Bildung bedeutet für uns in diesem Zusammenhang in erster Linie Selbstbildung, die selbsttätige Aneignung von Selbst und Welt durch den Einzelnen, welche der Bewältigung aller Aufgaben der Lebenszusammenhänge des Einzelnen dient. Darüber hinaus soll Bildung jeden zum kritischen Handeln befähigen, auch und vor allem sich selbst gegenüber. Erst das ermöglicht aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Neben dem Raum für Selbstbildung wollen wir auch unseren gesellschaftskritischen Zugang dadurch verdeutlichen, dass wir Angebote mit angeeignetem Wissen schaffen. Ein zu hohes Maß an didaktischen Methoden zur gezielten Wissensvermittlung steht unserem Ziel der Lernerautonomie entgegen. Denn nur durch entsprechende Freiräume wird emanzipatorische Bildung möglich.

Nicht alle Kinder und Jugendlichen verfügen gleichermaßen über die entsprechenden Voraussetzungen zur Nutzung aller ihnen theoretisch offen stehenden Angebote und sind somit im persönlichen Umgang mit Freiheit und Selbstverantwortung beeinträchtigt. Deshalb ist es Ziel der Bildungsarbeit unseres Verbandes, diesen Ungleichheiten durch nonformale Bildungsangebote entgegenzuwirken. Der Jugendverband Roter Baum versteht sich und alle seine Projekte und Gruppen als Ort der sozialen und politischen Bildung und als Bestandteil des Bildungs- und Sozialsystems in Sachsen.

Durch gemeinschaftliches Erfahren und Lernen soll in unseren Projekten die Förderung und Stärkung des Einzelnen in seiner individuellen und sozialen Entwicklung ermöglicht werden. Zentral sind dabei die Bildung und Entwicklung von Lebenskompetenzen. Wir wollen Eigeninitiative und eigenes Handeln befördern.
Im „Peer-to-Peer“ Ansatz sehen wir die relevante Form unserer Bildungsarbeit. Der Bildungsprozess der außerschulischen Jugendbildung im Jugendverband wird – im Unterschied zu schulischen Bildungseinrichtungen – maßgeblich durch ehrenamtliche und vergleichsweise überdurchschnittlich junge Mitarbeiterinnen mitgestaltet und geprägt. Die hohen fachlichen Standards und deren Fortentwicklung, der Qualitätsdiskurs und die fachliche Qualifikationen aller Mitarbeiterinnen in unserem Verband sichern die erfolgreichen Bildungsprozesse.

Obgleich Bildung nur sich selbst zum Zweck hat, kann sie niemals wertfrei von statten gehen, denn schon die Auswahl bestimmter Bildungsinhalte durch den Einzelnen ist von Werturteilen gesteuert. Wir vermitteln Werte wie Akzeptanz und Toleranz. Trotzdem definieren wir klare Grenzen und lehnen die Arbeit mit Menschen ab, die sich öffentlich und verfestigt zu Rassismus, Faschismus oder Sexismus bekennen. Alle diese Strömungen nehmen sich selbst als zur Gesellschaft gehörig wahr, weil sie sich frei in dieser bewegen können und sogar im politischen Diskurs geduldet bzw. beteiligt werden. Dem setzen wir uns entschieden entgegen, weil in unserem Verständnis von einer gerechten und demokratischen Gesellschaft derartiges Gedankengut bzw. Handlungsabsichten keine Berechtigung haben.

Bildung heißt für uns werteorientiertes Lernen und Vermittlung von Kompetenzen zur Lebensgestaltung. Wir verstehen Bildung als offenen und wechselseitigen Prozess mit dem Ziel der Emanzipation des Menschen. Bildung ist demnach auch Selbstbildung durch die ständige Irritation der eigenen Erfahrung. In unserem Leitbild heißt es deshalb u.a.: „Wir wollen die Welt erkennen, um das dadurch gewonnene Wissen zum Wohle von Mensch und Natur einzusetzen.“

Paradigmen unseres Bildungsbegriffes sind Partizipation und Subjektorientierung, was in der Umsetzung für uns bedeutet, dass Projekte unseres Jugendverbandes von Kindern und Jugendlichen gemeinschaftlich gestaltet und mitverantwortet werden. In unserem Jugendverband finden vorrangig informelle Bildungsprozesse in nonformalen Rahmenbedingungen statt. Wir ermöglichen Prozesse des Selbstlernens in eigenen Lebensund Erfahrungszusammenhängen. Durch diese Selbstwirksamkeitserfahrungen in unseren Projekten werden wir unserem Bildungsbegriff gerecht.


III.2. Adressatinnen unserer Bildungsarbeit

Bildung findet in bis zu 70 Prozent überwiegend außerschulisch und damit außerhalb formaler Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen statt. Der Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten verläuft damit meist in informellen Bezügen, u.a. in der Familie, in Peergroups, mittels Medien und auch in der Jugendarbeit.

Für den Jugendverband Roter Baum lässt sich konstatieren, dass die Zahl der Menschen, die unsere außerschulische Jugendbildung nutzen und daran teilhaben, die Zahl der Mitglieder und Ehrenamtlichen des Jugendverbandes um ein Vielfaches übersteigt. Die Angebote unseres Jugendverbandes richten sich zunächst an alle Kinder und Jugendlichen in Sachsen und damit indirekt auch an deren Familien. Darüber hinaus stehen unsere Projekte auch Kindern und Jugendlichen außerhalb Sachsens offen und werden durch diese genutzt.

Besondere Berücksichtigung finden in unserem Jugendverband junge Menschen, die ihre Lebenswelt aktiv gestalten wollen und für gesellschaftliches Engagement sensibilisierbar sind. Bildung hat aus unserer Sicht und nicht nur im Rahmen der Jugendarbeit eine präventive und gesellschaftsintegrierende Funktion. Deshalb ist der Ansatz eines offenen Angebotes für alle Kinder und Jugendlichen in unserem Leitbild verankert: „Wir sind uns bewusst, dass jeder Mensch wertvoll ist und die Chance haben muss, sich unabhängig von seiner ethnischen, sozialen und kulturellen Herkunft selbst zu verwirklichen.“ Abhängig von der inhaltlichen Fokussierung eines jeden Projektes sind unsere Adressatinnen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Aber nicht nur die Jugendlichen finden bei uns Zugang zu Bildungsangeboten, sondern auch Praktikanten, Zivildienstleistende und Sozialstundenleistende. Mit unseren Methoden erreichen wir, dass jeder mit einbezogen werden kann und von unserer Bildungsarbeit profitiert. Außerdem beschreiben wir die Aus-, Weiter- und Fortbildung der in unserem Verband Tätigen als Ziel.


III.3. Ziele unserer Bildungsarbeit

Wenn wir in unserem Jugendverband von außerschulischer Bildungsarbeit sprechen, haben wir dabei nicht nur das Individuum im Blick, welches von unseren Bildungsangeboten profitieren kann, sondern auch die Gesellschaft, in der es lebt und agiert. Das Bewusstsein darüber, dass die Menschen aktive Gestalter ihrer Um- und Mitwelt sind, und dass sie dieses Potential nutzen, wollen wir in unserer Arbeit mit jungen Menschen akzentuieren. Diesen geben wir die Möglichkeit, selbst herauszufinden, dass es sich lohnt, „erwachsen“ zu werden. Um zu diesem Bewusstsein zu gelangen, welches für uns Bildung bedeutet, sind bestimmte
Kompetenzen, Fähigkeiten und Fertigkeiten seitens der Jugendlichen nötig, insbesondere um Vergangenheit deuten und Zukunft projizieren zu können.

Ziel unserer Bildungsarbeit ist die Vermittlung von persönlichen wie sozialen Kompetenzen, wie z.B. Dialogfähigkeit, selbständige Aneignung von Wissen und kritischer Umgang mit Informationen, Mut zur freien Entscheidung, Konfliktfähigkeit, Selbstreflexion, Gemeinschaftssinn und Handeln in Verantwortung für sich selbst und andere. Diese dienen der eigenständigen Lebensbewältigung, indem sie den Einzelnen emanzipieren von bestehenden Strukturen der Unterdrückung freien Denkens, von vorherrschenden Rollenbildern und Wertestrukturen, die unreflektiert übernommen wurden. Emanzipation verläuft über die Herstellung von Autonomie und damit in Distanz zu bestehenden Werten. Selbstbefreiung und Identitätsbildung geschehen durch solidarische Praxis. Solidarität als ein weiteres Ziel unserer Bildungsarbeit, heißt Vermittlung von persönlichen und gesellschaftlichen Werten, die dann in gesellschaftliche Praxis umgesetzt werden können.

Wertevermittlung ist Ziel unserer Arbeit und Bildungsinhalt, mit dem selbstverantwortlich und frei umgegangen werden kann und muss. Auch den von uns vertretenen Werten kann und soll man sich kritisch gegenüber stellen und diese gemeinsam mit uns weiterentwickeln. Kinder und Jugendliche sollen lernen, sich zu positionieren und die eigenen Werte, ohne die verantwortungsbewusstes Leben nicht denkbar ist, im Austausch und in solidarischer Praxis mit Anderen immer wieder zu überprüfen.

Unser Ziel der Entwicklung starker, engagierter Persönlichkeiten mit gefestigten Identitäten versuchen wir durch Partizipation, Emanzipation und Integration zu erreichen. Integration bedeutet für uns, allen Menschen Zugang zu Ressourcen gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. Integration verläuft über die Herstellung von Gerechtigkeit, welche mehr als nur Chancengleichheit meint, da letztere bestehende Benachteiligungen nicht beseitigt. Wir wollen mit unserer Bildungsarbeit zur Entfaltung freier Persönlichkeiten beitragen, sie als Akteure in der Gesellschaft verankern und somit gesellschaftliche Praxis verändern. Erlebte Integration verdeutlicht die Notwendigkeit und Fähigkeit zur Integration anderer.

Partizipation als Bildungsziel bedeutet vor allem das Bewusstsein über die Möglichkeiten aktiver Teilhabe, im Gegensatz zu bloßer Teilnahme, am gesellschaftlichen Zusammenhang. Über das Bewusstsein dessen soll im Zuge unserer Bildungsarbeit auch der Wille zu gesellschaftlicher Mitverantwortung gestärkt werden. Mitverantwortung bedeutet Partizipation an der Existenz der anderen. Demnach ist das Ziel unserer Bildungsarbeit die Herausbildung des Vorsatzes zu gesellschaftlicher Teilhabe und Mitverantwortung, also das Handeln mit Wissen und Wollen.


III.4. Grundsätze unserer Bildungsarbeit

Das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales hat in der „Orientierungshilfe zur außerschulischen Jugendbildung“ Grundsätze formuliert, die sich in den Handlungsmaximen unserer Jugendverbandsarbeit widerspiegeln. Zu diesen Grundsätzen zählen insbesondere die Freiwilligkeit der Teilnahme, die Offenheit der Angebote, die Möglichkeit der Mitgestaltung durch die Kinder und Jugendlichen, die Ausrichtung der Angebote an den Interessen und Fähigkeiten der AdressatInnen sowie Lernen durch Selbsterfahrung eigener Wirksamkeit. Diese Anspruchsgrundlage unserer Arbeit obliegt der Trägerspezifik unseres Verbandes, der es sich
insbesondere zum Ziel gemacht hat, linkspolitische Werte zu leben und zu vermitteln. Deshalb legen wir besonderen Wert auf die Spezifizierung der allgemeinen Grundsätze außerschulischer Jugendarbeit im Hinblick auf die Mitverantwortung des Einzelnen am gesellschaftlichen Zusammenhang. Unsere Grundsätze sind getragen von der Idee der Partizipation, der Emanzipation, von Gerechtigkeit, Subjektorientierung und Selbstbestimmung. Durch entsprechende Methoden in unserer Verbandsarbeit sichern wir die Nachhaltigkeit der von uns initiierten und begleiteten Bildungsprozesse. Dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit tragen wir
Rechnung, in dem wir die uns zur Verfügung stehenden Mittel effektiv einsetzen.

Aus den Grundsätzen lassen sich darüber hinaus Kriterien für unsere Verbandsarbeit ableiten, wie die Durchführung von Evaluationen, Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit, Qualifikation, Ziel- und Konzeptformulierung, Methodenauswahl und Transparenz. Pädagogische Fragen, die sich mit Gruppenarbeit, Methoden und Didaktik, § 8a SGB VIII, Jugendschutz usw. beschäftigen, vervollständigen das Bild unserer Verbandsarbeit. Alle diese Themen sind der Lebenswelt und dem Anspruch auf ganzheitliche Bildung entnommen.


III.5. Methoden unserer Bildungsarbeit

Der Jugendverband Roter Baum leistet landesweite Bildungsarbeit in den Bereichen außerschulische Jugendbildung, Internationale Jugendarbeit, Kinder- und Jugenderholung. Gemeinsam mit jungen Menschen des Verbandes werden Bildungsfahrten, Ferienfreizeiten, Internationale Jugendbegegnungen, Veranstaltungen, Konzerte und der Europäische Freiwilligendienst organisiert.

Ausgehend von dem Grundsatz, dass Jugendarbeit in Jugendverbänden von jungen Menschen selbst organisiert, gemeinschaftlich gestaltet und mitverantwortet wird, kommen in der Bildungsarbeit des Jugendverbandes Roter Baum andere Methoden zur Anwendung als bei der schulischen Wissensvermittlung. Angebote unseres Jugendverbandes beziehen sich auf Fortbildung, Projektarbeit, Anleitung von Multiplikatoren, Unterstützung der ehrenamtlichen Strukturen sowie Anregungen und Angebote im Bereich der Internationalen Jugendbegegnung. Wichtig ist uns darüber hinaus die Vernetzung mit freien Trägern, Dachverbänden und
Bildungsinstitutionen. Es werden fruchtbare Beziehungen zu Partnerorganisationen auf kommunaler, regionaler und europäischer Ebene gebildet und aufrecht erhalten, sowie Partner aus den Bereichen Jugendhilfe, Bildung, Wissenschaft und Politik gewonnen, die unsere Arbeit bereichern.

In unseren lokalen Projekten geben wir Hilfestellungen bei der Bewältigung lebenspraktischer Problemlagen, was vorwiegend durch beratende Angebote geschieht. Auch wenn sich aus den Bewältigungs- bzw. Gestaltungsaufgaben des täglichen Lebens der Jugendlichen zunächst Bildungsspielräume ergeben, ist zu konstatieren, dass diese kaum genutzt werden können, wenn die Probleme zu groß sind. Dem begegnen wir mit Beratung und Begleitung, Vermittlung von Problemlöse- und Handlungskompetenzen, Krisenintervention und Einzelfallhilfe.

Wir definieren Jugendarbeit als Ort, wo man sich spielerisch und neugierig in Kooperation mit Anderen die Welt aneignen und im Austausch mit Gleichaltrigen und anderen Generationen sich selbst erfahren kann. Ein weiterer Hauptstrang unserer Arbeit im Jugendverband ist die Schaffung eines Rahmens und der damit korrespondierenden Möglichkeiten zur Selbsterprobung seitens der Jugendlichen. Dies soll ihnen ganzheitliche Selbstwirksamkeitserfahrungen garantieren. Wir schaffen Gelegenheit zu Selbsterfahrung insbesondere durch freizeitpädagogische, interkulturelle, erlebnispädagogische und medienpädagogische Arbeitskonzepte, welche als Grundlage für Einzel- bzw. Gruppenarbeit dienen.

Vor allem in Gruppen findet soziales Lernen statt, wird Demokratie lebbar, kann doch Gesellschaft in dieser kleinen Form als veränderlich begriffen werden. So werden Projekte angeboten, in denen Teilnahme aber insbesondere Teilhabe ermöglicht wird, um selbst Projekte zu initiieren und durchzuführen. Dazu stellen die Ortsgruppen ihre personellen und sachlichen Ressourcen zur Verfügung. Die Methode des Empowerments dient als Gegenstrategie zur Manifestierung von Hilfsbedürftigkeit. So gibt es viele Gelegenheiten für bildungsbezogene Selbsterfahrung, vor allem in der Ausübung eines Ehrenamtes durch die Jugendlichen, welches durch die hauptamtlichen Mitarbeiter fachlich begleitet wird. Selbstorganisation ist ein wesentliches Prinzip ehrenamtlich getragener Jugendarbeit, deshalb ist Qualifizierung der Ehrenamtlichen Voraussetzung für Qualitätssicherung.

Da wir diese im Zuge unserer Bildungsarbeit anstreben, nehmen auch die hauptamtlichen MitarbeiterInnen, welche entsprechend den Anforderungen des Arbeitsfeldes ausgewählt werden, an Fort- bzw. Weiterbildungen teil. Wir evaluieren unsere Arbeit intern, führen Teambesprechungen, Klausuren und Arbeitstreffen durch und lassen unsere Arbeit auch extern, z.B. mittels Qualitätsentwicklungsprogrammen, überprüfen. Wir erarbeiten in regelmäßigen Abständen neue Konzeptionen und befinden uns immer im offenen Dialog mit den Adressatinnen und anderen Trägern der Jugendhilfe, um auch den fachlichen Austausch vor Ort sicherzustellen. Ständig überprüfen wir unsere theoretisch fundierte Arbeit in der Praxis auf ihre Wirkungen.


IV. Bildungsarbeit unseres Jugendverbandes vor Ort – Beispiele und Projekte

Bildungsarbeit findet in unserem Jugendverband örtlich in verschiedenen Projekten und für unterschiedliche Altersgruppen, jedoch stets auf der Basis unseres Leitbildes statt. Unsere Angebote an junge Menschen umfassen dabei u.a. Internationale Begegnungen und Austausche, Jugendleiterschulungen, Beteiligungsprojekte, Offene Kinder-und Jugendarbeit, Bildungsfahrten, Fachtagungen, Workshops, Ferienfreizeiten und Bildungsveranstaltungen im
Rahmen der Jugendweihe.

Im Bereich Internationales organisieren wir jährlich mehrere bi- und trilaterale Jugendbegegnungen für Jugendliche und junge Erwachsene. Kontakte bestehen derzeit u.a. nach Polen, Israel, Frankreich, Ungarn, Russland, Serbien und in die Tschechische Republik. Für Fachkräfte aus dem Bereich Jugendhilfe und Sozialarbeit bieten wir außerdem Austauschmöglichkeiten an. Darüberhinaus vermitteln wir als Entsendeorganisation des Europäischen Freiwilligendienstes Jugendliche zwischen 18 und 30 Jahren für einen mehrmonatigen sozialen Dienst ins europäische Ausland.

Mit unseren Jugendleiterschulungen gemäß der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zur Einführung der Jugendleitercard im Freistaat Sachsen erreichen wir in jedem Jahr mehr als 100 junge Menschen ab 17 Jahren aus ganz Sachsen. Sie wollen sich als JugendleiterInnen ausbilden lassen, um Verantwortung zu übernehmen, um Kinder und Jugendliche zu betreuen und um sich sozial zu engagieren, u.a. im Rahmen der Jugendverbandsarbeit. Wir sind bestrebt, die Jugendleiterschulungen kostenfrei für alle TeilnehmerInnen anzubieten, da wir die kontinuierliche Aus- und Fortbildung junger Menschen für die Jugendverbandsarbeit als Voraussetzung für nachhaltiges ehrenamtliches Engagement betrachten.

Das vom Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ finanzierte Projekt „Beteiligung fördert Verständnis“ arbeitet vorwiegend mit SchülerInnen aus Dresden und den angrenzenden Landkreisen. Bildung heißt im Rahmen dieses Projektes präventives Wirken gegen Rechtsextremismus und Aufklärung von Vorurteilen, die zu Ausgrenzung und Rassismus führen. Desweiteren organisieren wir mit unserem Demokratieprojekt Fachtagungen, u.a. zum Thema „Subversive Verunsicherungspädagogik“.

Für Jugendliche und junge Erwachsene v.a. mit politischem Interesse bieten wir im außerschulischen Bildungsbereich Veranstaltungen, Foren und Workshops an. Diese Angebote werden zumeist ehrenamtlich organisiert. Die Ziele unserer Bildungsfahrten für Jugendliche ab 13 Jahren sind Orte, die einen historischen, politischen oder erlebnispädagogischen Anknüpfungspunkt haben – so bieten wir jährlich mehrere Fahrten zum Deutschen Bundestag an, ebenso zur KZ-Gedenkstätte Buchenwald, in die Wissenschaftsstadt Jena, zum Kavernenkraftwerk nach Freiberg und zum Klettern für Anfänger in den sächsischen Mittelgebirgen an.

Mehr als 400 Jugendliche der achten Klassen aus Dresden und den umliegenden Landkreisen begleiten wir jährlich im Rahmen unseres Jugendweihe-Projektes auf dem Weg zum Erwachsensein. Wichtig für uns ist in diesem Projekt nicht vorrangig die am Ende des Schuljahres stehende Feierstunde, sondern die Vermittlung von Werten und Wissen im Rahmen zahlreicher vorbereitender Bildungsveranstaltungen. Diese werden ehrenamtlich organisiert und begleitet. Wir verfolgen dabei den Anspruch der Selbstbildung durch die Jugendlichen.

Für Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 17 Jahren organisieren wir in jedem Jahr mehr als 30 Ferienfreizeiten in den Winter-, Sommer- und Herbstferien. Jährlich erreichen wir ca. 1000 Kinder und Jugendliche aus Sachsen und anderen Bundesländern. Bei der Organisation dieser Fahrten ist unser Selbstverständnis nicht das eines Reiseveranstalters. Für uns steht im Sinne von Bildung das gemeinschaftliche Erleben in der Gruppe im Vordergrund, das Ausprobieren und Aneignen von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie der Erwerb sozialer Kompetenzen. Partizipation der TeilnehmerInnen ist deshalb ein wichtiger Schwerpunkt bei der Durchführung der Freizeiten.

Für die erfolgreiche Durchführung unserer Projekte, den fachlichen Austausch mit anderen Trägern und die Vernetzung der Jugendverbandsarbeit sind wir Mitglied in verschiedenen Dachverbänden und Organisationen, u.a. im Kinder- und Jugendring Sachsen e. V., im Kulturbüro Dresden, im Landesverband Sächsischer Jugendbildungswerke e. V., im Reisenetz e. V., im IJAB e. V. (Kampagne Internationale Jugendarbeit). Lokal arbeiten wir u.a. aktiv in den Stadtteilrunden Dresden-Pieschen und Dresden-Blasewitz, in der AG Kinder- und Jugenderholung des Jugendamtes Dresden und im Bündnis für Demokratie Dresden mit.


V. Ausblick

In den vergangenen Monaten haben wir uns intensiv mit dem Thema Bildung in unserem Jugendverband auseinandergesetzt. Das vorliegende Bildungskonzept wurde in einer Klausurtagung sowie in mehreren Arbeitsrunden gemeinsam mit dem Vorstand, den haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und mit jungen Menschen erarbeitet. Nun gilt es, die im vorliegenden Konzept formulierten Ansprüche in den einzelnen Projekten kontinuierlich mit Leben zu füllen und weiterzuentwickeln.

Der Rahmen, der durch das Bildungskonzept beschrieben wird, wird durch eine konkrete Jahresplanung für einzelne Bildungsangebote ausgefüllt. Diese Aufzählung ist nicht abschließend und wird bei Bedarf und nach Möglichkeit erweitert.


BILDUNG IST, WENN MAN WEIẞ, WO DAS WENIGE, WAS MAN WEIẞ ODER ZU WISSEN GLAUBT,
INS GANZE DES WISSENS HINEINGEHÖRT.
(VITTORIO HÖSLE)